Werkvertrag vs. Dienstvertrag: Welcher Vertrag ist der Richtige für Ihr Projekt?

werkvertrag vs dienstvertrag

Redaktion

Arbeitsvertrag

Hinweis: Die auf dieser Website bereitgestellten Informationen stellen keine Rechtsberatung dar. Die Informationen sind allgemeiner Natur und dienen ausschließlich zu Informationszwecken.

Stehen Sie vor der Entscheidung, einen Freelancer zu engagieren oder selbst eine freiberufliche Tätigkeit aufzunehmen? Dann landen Sie unweigerlich bei einer zentralen Weichenstellung, die weitreichende finanzielle und rechtliche Konsequenzen hat. Es ist die entscheidende Frage nach dem Unterschied zwischen einem Werkvertrag und einem Dienstvertrag, die oft für Verwirrung sorgt. Viele glauben, die Begriffe seien austauschbar. Ein fataler Irrtum.

Dieser Artikel ist Ihr verlässlicher Kompass. Wir nehmen Sie an die Hand und führen Sie Schritt für Schritt durch den Dschungel der Paragrafen. Sie werden nicht nur die theoretischen Unterschiede verstehen, sondern auch lernen, sie in der Praxis sicher anzuwenden. Am Ende werden Sie genau wissen, welche Vertragsart für Ihr Vorhaben die einzig richtige ist und wie Sie teure Fehler vermeiden.

Das Wichtigste in Kürze
  • Der Kernunterschied: Ein Werkvertrag schuldet einen konkreten Erfolg (z.B. eine fertige Website), ein Dienstvertrag nur das Bemühen bzw. die Tätigkeit (z.B. Beratung).
  • Vergütung: Beim Werkvertrag wird der Lohn erst bei Abnahme des mangelfreien Werkes fällig. Beim Dienstvertrag wird die geleistete Zeit bezahlt, unabhängig vom Ergebnis.
  • Haftung: Nur der Werkvertrag kennt ein umfassendes Mängelrecht (Gewährleistung) mit Anspruch auf Nachbesserung. Der Dienstvertrag haftet nur bei schuldhafter Pflichtverletzung.
  • Kündigung: Werkverträge können vom Auftraggeber jederzeit gekündigt werden (mit Vergütungsfolgen), während Dienstverträge an Kündigungsfristen gebunden sind.
  • Die Gefahr: Eine falsche Vertragsbezeichnung kann zur Scheinselbstständigkeit führen, was massive Nachzahlungen für die Sozialversicherung nach sich ziehen kann.

Die alles entscheidende Frage: Schulden Sie einen Erfolg oder nur Ihr Bemühen?

Stellen Sie sich vor, Sie betreten ein unbekanntes Terrain. Zwei Wege liegen vor Ihnen, die zum selben Ziel zu führen scheinen, aber grundverschiedene Landschaften durchqueren. So ähnlich verhält es sich mit dem Werk- und dem Dienstvertrag. Die erste und wichtigste Unterscheidung liegt im Vertragsgegenstand selbst.

Was genau wird geschuldet?

Der Werkvertrag, geregelt in § 631 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), ist ein Erfolgsvertrag. Hier verpflichtet sich der Auftragnehmer (der Unternehmer) zur Herstellung eines ganz bestimmten, greifbaren Werkes oder zur Herbeiführung eines klar definierten Erfolgs. Es geht um das fertige Ergebnis.

Denken Sie an die Reparatur Ihres Autos, den Bau eines Hauses, die Erstellung eines Logos oder die Programmierung einer funktionierenden Software. In all diesen Fällen bezahlen Sie nicht für die aufgewendeten Stunden, sondern für das Endprodukt. Ist das Auto nicht repariert, ist der Vertrag nicht erfüllt.

Ganz anders der Dienstvertrag nach § 611 ff. BGB. Er ist ein Tätigkeitsvertrag. Hier wird lediglich die Erbringung einer Dienstleistung, also das fachgerechte Bemühen, geschuldet. Der Erfolg als solcher ist nicht Teil der vertraglichen Pflicht. Der Dienstleister stellt seine Arbeitskraft und sein Wissen für eine bestimmte Zeit zur Verfügung.

Klassische Beispiele sind der Behandlungsvertrag mit einem Arzt, das Mandat bei einem Rechtsanwalt oder der Unterrichtsvertrag mit einem Nachhilfelehrer. Der Arzt schuldet die Behandlung nach den Regeln der ärztlichen Kunst, aber nicht die Heilung. Der Anwalt schuldet die bestmögliche Vertretung, aber nicht den Sieg vor Gericht.

Der Weg des Geldes: Wann die Vergütung fällig wird

Die Unterscheidung zwischen Erfolg und Tätigkeit hat direkte Auswirkungen auf den wichtigsten Punkt für beide Seiten: die Bezahlung. Die Regelungen zur Fälligkeit der Vergütung könnten kaum unterschiedlicher sein und bergen erhebliches Konfliktpotenzial.

Beim Dienstvertrag ist die Sache einfach: Die Vergütung wird nach der Erbringung der Dienste fällig. In der Praxis bedeutet das meist eine Abrechnung nach Zeit (Stunden- oder Tagessätze) oder eine monatliche Pauschale. Der Anspruch besteht unabhängig davon, ob das vom Auftraggeber gewünschte Ziel erreicht wurde.

Völlig anders beim Werkvertrag. Hier tritt der Unternehmer in Vorleistung. Die Vergütung, der sogenannte Werklohn, wird erst dann fällig, wenn der Auftraggeber (der Besteller) das Werk abgenommen hat. Die Abnahme ist ein entscheidender juristischer Akt: Der Besteller prüft das Werk und erklärt, dass es im Wesentlichen vertragsgemäß ist. Erst nach dieser Erklärung muss die Rechnung bezahlt werden.

Diese Vorleistungspflicht ist ein erhebliches Risiko für den Auftragnehmer. Um dieses abzumildern, können Abschlagszahlungen für bereits erbrachte Teilleistungen vereinbart werden.

Ergänzendes Wissen

Ein Kostenvoranschlag ist beim Werkvertrag im Zweifel nicht zu vergüten. Überschreitet der Unternehmer die veranschlagten Kosten wesentlich, muss er dies dem Besteller unverzüglich anzeigen. Der Besteller erhält daraufhin ein Kündigungsrecht.

Die fundamentalen Unterschiede lassen sich am besten in einer direkten Gegenüberstellung verdeutlichen.

MerkmalWerkvertrag (§ 631 ff. BGB)Dienstvertrag (§ 611 ff. BGB)
VertragsgegenstandHerstellung eines Werkes oder Herbeiführung eines ErfolgsErbringung einer Dienstleistung oder Tätigkeit
VergütungErfolgsorientiert, fällig bei Abnahme des mangelfreien WerkesTätigkeitsorientiert, fällig nach Leistungserbringung
HaftungUmfassendes Mängelrecht (Gewährleistung)Kein Mängelrecht, nur Haftung bei Pflichtverletzung
KündigungJederzeit durch Auftraggeber frei kündbarOrdentliche Kündigung an Fristen gebunden

Wenn etwas schiefgeht: Haftung und Gewährleistung

Kein Projekt ist vor Fehlern gefeit. Doch was passiert, wenn das Ergebnis nicht den Erwartungen entspricht? Die Antwort auf diese Frage ist ein weiterer dramatischer Unterschied zwischen den beiden Vertragsarten. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen.

Nur der Werkvertrag kennt ein starkes gesetzliches Mängelrecht, auch Gewährleistung genannt. Stellt der Besteller bei der Abnahme oder danach einen Mangel fest, hat er weitreichende Rechte. Er muss dem Unternehmer nicht einfach sein Geld geben und den Fehler akzeptieren.

Er kann Folgendes verlangen:

  • Nacherfüllung: Der Besteller muss dem Unternehmer zunächst die Chance geben, den Mangel zu beheben (Nachbesserung) oder das Werk neu herzustellen. Das Wahlrecht liegt hier beim Unternehmer.
  • Selbstvornahme: Lässt der Unternehmer eine gesetzte Frist zur Nacherfüllung verstreichen, kann der Besteller den Mangel selbst beheben oder einen Dritten beauftragen und die Kosten dafür vom ursprünglichen Unternehmer zurückfordern.
  • Rücktritt oder Minderung: Scheitert die Nacherfüllung endgültig, kann der Besteller bei einem erheblichen Mangel vom Vertrag zurücktreten oder die Vergütung angemessen herabsetzen (mindern).
  • Schadensersatz: Hat der Unternehmer den Mangel verschuldet, können zusätzlich Schadensersatzansprüche entstehen.

Diese Rechte geben dem Auftraggeber eine enorme Sicherheit. Doch Vorsicht: Die Ansprüche verjähren. Bei den meisten Werken beträgt die Frist zwei Jahre ab der Abnahme, bei Bauwerken und damit verbundenen Planungsleistungen sogar fünf Jahre.

Und beim Dienstvertrag? Hier sieht die Welt für den Auftraggeber düsterer aus. Es gibt kein vergleichbares Mängelrecht. Eine „schlechte“ Dienstleistung führt nicht automatisch zu Ansprüchen. Der Dienstleister haftet nur, wenn er seine Pflichten schuldhaft verletzt hat, also beispielsweise grob fahrlässig oder vorsätzlich falsch beraten hat. Der Nachweis dafür ist in der Praxis oft schwer zu führen.

Ergänzendes Wissen

Eine Sonderform ist der Verbraucherbauvertrag. Hier schützt der Gesetzgeber private Bauherren mit besonderen Rechten, wie einem 14-tägigen Widerrufsrecht und einer Pflicht des Unternehmers zur Vorlage einer detaillierten Baubeschreibung.

Der Ausstieg: So beenden Sie die Zusammenarbeit

Manchmal müssen sich Wege trennen, sei es, weil das Projektziel erreicht ist, oder weil die Zusammenarbeit nicht funktioniert. Auch hier gibt es klare Unterschiede in den Kündigungsmodalitäten.

Der Dienstvertrag, insbesondere wenn er auf unbestimmte Zeit läuft (wie ein typischer Arbeitsvertrag), kann nur unter Einhaltung von gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Fristen ordentlich gekündigt werden. Eine fristlose Kündigung ist nur aus einem „wichtigen Grund“ möglich, an den hohe Anforderungen gestellt werden.

Der Werkvertrag bietet dem Auftraggeber eine verblüffende Flexibilität. Gemäß § 648 BGB kann der Besteller den Vertrag jederzeit und ohne Angabe von Gründen kündigen. Einfach so.

Doch diese Freiheit hat ihren Preis. Kündigt der Besteller, behält der Unternehmer seinen vollen Vergütungsanspruch. Er muss sich lediglich das anrechnen lassen, was er durch die Beendigung des Vertrags an Aufwendungen gespart hat. Um Streit zu vermeiden, gibt es eine gesetzliche Vermutung: Dem Unternehmer stehen pauschal 5 % der Vergütung für den noch nicht erbrachten Leistungsteil zu, wenn die Parteien nichts anderes nachweisen.

Die unsichtbare Gefahr: Abgrenzung zur Scheinselbstständigkeit

Eine der größten unsichtbaren Gefahren ist die falsche Einordnung des Vertragsverhältnisses. Die korrekte Abgrenzung zur Scheinselbstständigkeit ist daher nicht nur eine Formsache, sondern schützt vor massiven finanziellen Risiken. Wird ein Vertrag nur zum Schein als Dienst- oder Werkvertrag bezeichnet, obwohl die Person in Wahrheit wie ein Arbeitnehmer behandelt wird, kann dies gravierende Folgen haben.

Die Deutsche Rentenversicherung prüft hier sehr genau. Entscheidend ist nicht, was über dem Vertrag steht, sondern wie die Zusammenarbeit tatsächlich gelebt wird. Indizien für eine Scheinselbstständigkeit sind die Weisungsgebundenheit bezüglich Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit sowie die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers. Nutzt der „Freelancer“ die Betriebsmittel des Auftraggebers und hat keine eigenen Kunden, wird es kritisch.

Die Folgen einer Aufdeckung sind gravierend: Der Auftraggeber muss die Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) für bis zu vier Jahre nachzahlen. Das kann schnell existenzbedrohend werden.

Fazit: Wissen ist Macht

Die Reise durch die Welt der Werk- und Dienstverträge zeigt: Die Wahl der richtigen Vertragsart ist eine der fundamentalsten strategischen Entscheidungen in jedem Projekt. Es geht um Geld, Haftung, Flexibilität und die Vermeidung rechtlicher Fallstricke. Sie haben gelernt, dass der Teufel im Detail steckt – im geschuldeten Erfolg, in der Fälligkeit der Zahlung und im Umgang mit Fehlern.

Sie sind nun nicht mehr nur ein unsicherer Fragesteller, sondern ein informierter Entscheider. Bewaffnet mit diesem Wissen können Sie Verträge souverän prüfen, die richtigen Fragen stellen und Ihre Projekte auf ein solides rechtliches Fundament stellen. Nutzen Sie diese Klarheit, um Ihre Ziele sicher zu erreichen.

Häufig gestellte Fragen

Was ist, wenn mein Vertrag Elemente von beidem enthält?

Bei gemischten Verträgen (z.B. IT-Projekt mit Beratung und Programmierung) muss oft für jeden Leistungsteil geprüft werden, welches Recht Anwendung findet. Im Zweifel sollte ein Anwalt den Vertrag prüfen, um die Schwerpunkte korrekt einzuordnen.

Gilt das auch für kleine Aufträge an Freelancer?

Ja, die gesetzlichen Regelungen gelten unabhängig vom Auftragsvolumen. Auch bei kleinen Projekten ist die korrekte Abgrenzung entscheidend, um spätere Konflikte über Bezahlung oder Mängel zu vermeiden.

Kann ich die gesetzlichen Regelungen im Vertrag ändern?

Viele Regelungen können vertraglich angepasst werden, solange sie nicht gegen zwingendes Recht oder die guten Sitten verstoßen. Insbesondere bei Verträgen mit Verbrauchern sind die Grenzen jedoch eng gesteckt.

Was ist ein Werklieferungsvertrag?

Das ist eine Sonderform des Werkvertrags, bei der der Unternehmer eine bewegliche Sache aus von ihm zu beschaffendem Stoff herstellt (z.B. ein Maßanzug). Hier gelten ergänzend die Regeln des Kaufrechts.

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner