Mündlicher Arbeitsvertrag: Was gilt, welche Risiken drohen und wie Sie sich schützen

Mündlicher Arbeitsvertrag: Was gilt, welche Risiken drohen und wie Sie sich schützen

Redaktion

Arbeitsvertrag

Hinweis: Die auf dieser Website bereitgestellten Informationen stellen keine Rechtsberatung dar. Die Informationen sind allgemeiner Natur und dienen ausschließlich zu Informationszwecken.

Ein Jobangebot, direkt im Gespräch angenommen – die Freude ist groß. Man schlägt ein, bedankt sich und verlässt das Büro mit dem guten Gefühl, eine neue Stelle zu haben. Doch Moment mal, es gibt gar nichts Schriftliches? Diese Situation führt oft zu Unsicherheit und wirft die zentrale Frage auf, welche rechtliche Verbindlichkeit ein mündlicher Arbeitsvertrag eigentlich besitzt.

Ist das Wort des Chefs genauso viel wert wie ein unterschriebenes Dokument? Welche Rechte und Pflichten entstehen aus einem solchen Handschlag-Deal?

Dieser Artikel führt Sie durch den Dschungel der rechtlichen Bestimmungen. Wir klären, wann ein mündlicher Vertrag gültig ist, wo seine Grenzen liegen und wie Sie sich als Arbeitnehmer effektiv absichern können. Am Ende dieser Lektüre werden Sie nicht nur die Fakten kennen, sondern auch das nötige Selbstvertrauen haben, um Ihre Rechte souverän zu wahren.

Das Wichtigste in Kürze
  • Ein mündlicher Arbeitsvertrag ist in Deutschland grundsätzlich rechtsgültig und bindend.
  • Arbeitgeber sind durch das Nachweisgesetz (NachwG) verpflichtet, die wesentlichen Vertragsbedingungen spätestens einen Monat nach Arbeitsbeginn schriftlich auszuhändigen.
  • Eine entscheidende Ausnahme ist die Befristung eines Arbeitsverhältnisses; diese muss immer schriftlich erfolgen, um wirksam zu sein.
  • Unabhängig von der Vertragsform muss eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausnahmslos schriftlich erfolgen.
  • Im Streitfall liegt die Beweislast für mündlich getroffene Vereinbarungen (z.B. höheres Gehalt, mehr Urlaub) beim Arbeitnehmer.

Die Rechtsgültigkeit: Mehr als nur ein Wort?

Vielleicht kennen Sie das Gefühl: Die Zusage kommt prompt und mündlich. Man ist erleichtert, aber auch ein wenig skeptisch. Kann das wirklich schon alles sein? Die Antwort ist ein klares Ja.

In Deutschland herrscht im Arbeitsrecht der Grundsatz der Formfreiheit. Das bedeutet, ein Arbeitsvertrag kann auf verschiedene Weisen geschlossen werden: schriftlich, mündlich oder sogar durch schlüssiges Handeln (konkludentes Handeln). Letzteres passiert, wenn Sie einfach anfangen zu arbeiten und Ihr Arbeitgeber Sie widerspruchslos beschäftigt und bezahlt.

Ein Handschlag, ein Nicken – und schon hat man einen Job?

Ja, so einfach kann es sein. Solange sich beide Parteien – Arbeitnehmer und Arbeitgeber – über die grundlegenden Konditionen einig sind, entsteht ein wirksames Arbeitsverhältnis.

Was sind die „wesentlichen Vertragsbedingungen“?

Für einen gültigen Vertrag müssen nicht alle Details des Arbeitslebens besprochen werden. Es genügt eine Einigung über die sogenannten wesentlichen Vertragsbedingungen. Fehlen Absprachen zu anderen Punkten wie Urlaub oder Kündigungsfristen, greifen automatisch die gesetzlichen Mindeststandards.

Zu den unverzichtbaren Kernpunkten gehören:

Die Vertragsparteien: Wer schließt den Vertrag mit wem?

Die Arbeitsleistung: Welche Tätigkeit sollen Sie ausüben?

Das Arbeitsentgelt: Wie hoch ist Ihre Vergütung?

Sind diese drei Punkte geklärt, existiert ein rechtsgültiger mündlicher Arbeitsvertrag.

Das Gesetz schläft nicht: Die Rolle des Nachweisgesetzes (NachwG)

Stellen Sie sich vor, die erste Euphorie über die mündliche Zusage legt sich. Langsam schleichen sich Fragen ein. Was ist, wenn mein Chef sich in ein paar Monaten nicht mehr an das versprochene Gehalt erinnert? Oder an die vereinbarten Arbeitszeiten?

Genau für diesen Moment hat der Gesetzgeber ein entscheidendes Sicherheitsnetz gespannt und die Regeln im Nachweisgesetz geschaffen, um Arbeitnehmer zu schützen.

Dieses Gesetz nimmt den Arbeitgeber in die Pflicht. Es soll sicherstellen, dass Sie als Arbeitnehmer trotz mündlicher Absprache einen schriftlichen Beleg über die wichtigsten Konditionen Ihrer Anstellung erhalten. Es dient als Gedächtnisstütze und, im Ernstfall, als wichtiges Beweisdokument.

Ergänzendes Wissen

Die Niederschrift nach dem Nachweisgesetz ist nicht der Arbeitsvertrag selbst. Sie ersetzt oder verändert die mündliche Vereinbarung nicht, sondern dokumentiert lediglich deren Inhalt. Die Gültigkeit des mündlichen Vertrags bleibt davon unberührt.

Was genau muss der Arbeitgeber Ihnen aushändigen?

Der Arbeitgeber kann Ihnen nicht einfach einen Zettel mit ein paar Notizen in die Hand drücken. Das Nachweisgesetz listet in § 2 klar auf, welche Informationen die schriftliche Niederschrift enthalten muss. Die Frist dafür ist streng: Spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses muss Ihnen dieses Dokument vorliegen.

Zu den Pflichtangaben gehören unter anderem:

  • Name und Anschrift der Vertragsparteien
  • Der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses
  • Bei Befristung: die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses
  • Der Arbeitsort oder ein Hinweis, dass Sie an verschiedenen Orten tätig sein können
  • Eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der zu leistenden Tätigkeit
  • Die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts inklusive aller Zuschläge und Prämien
  • Die vereinbarte Arbeitszeit
  • Die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs
  • Die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses
  • Ein allgemeiner Hinweis auf die anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen

Diese detaillierte Auflistung schützt Sie vor Unklarheiten und schafft eine verlässliche Grundlage für Ihre Beschäftigung.

Wo der mündliche Vertrag an seine Grenzen stößt

Obwohl ein mündlicher Vertrag gültig ist, birgt er erhebliche Risiken und hat klare rechtliche Grenzen. Es ist entscheidend, diese Fallstricke zu kennen, bevor man sich ausschließlich auf eine verbale Zusage verlässt. Die Probleme zeigen sich meist erst dann, wenn es zu Meinungsverschiedenheiten kommt.

Die Falle der Befristung: Eine kritische Ausnahme

Hier gibt es keinen Spielraum. Wenn Sie und Ihr Arbeitgeber ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbaren möchten, ist die Schriftform zwingend erforderlich. Dies ist in § 14 Abs. 4 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) unmissverständlich geregelt.

Was passiert, wenn diese Form nicht eingehalten wird?

Wird eine Befristung nur mündlich vereinbart, ist sie unwirksam. Das hat eine gravierende Folge, die viele nicht kennen: Der Arbeitsvertrag gilt dann automatisch als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Sie haben also einen unbefristeten Arbeitsvertrag, auch wenn etwas anderes besprochen wurde.

Der Streitfall: Wenn Aussage gegen Aussage steht

Das größte Risiko eines mündlichen Vertrags ist die Beweisbarkeit. Solange alles gut läuft, ist das kein Problem. Doch was, wenn Sie auf die Auszahlung versprochener Boni warten? Oder wenn es Unstimmigkeiten über die Anzahl Ihrer Urlaubstage gibt?

In einem solchen Fall liegt die Beweislast bei Ihnen als Arbeitnehmer. Sie müssen nachweisen können, dass eine bestimmte Vereinbarung getroffen wurde. Ohne schriftlichen Vertrag wird das extrem schwierig. Zeugenaussagen von Kollegen können helfen, sind aber oft heikel. Kontoauszüge können ein Gehalt belegen, aber keine Details zu Arbeitszeiten oder Sonderleistungen.

Die Kündigung: Hier gibt es keine mündliche Option

Ein Bereich, in dem das Gesetz absolute Klarheit vorschreibt, ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Egal, wie Ihr Vertrag zustande kam – eine Kündigung muss immer schriftlich erfolgen. Dies ist in § 623 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verankert.

Eine mündlich ausgesprochene Kündigung – sei es vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer – ist rechtlich unwirksam. Sie entfaltet keinerlei Wirkung. Das Arbeitsverhältnis besteht fort, als wäre nichts geschehen.

Wurden keine individuellen Kündigungsfristen vereinbart, gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen.

Gesetzliche Kündigungsfristen im Überblick

Die folgende Tabelle zeigt die gesetzlichen Fristen, die greifen, wenn im Vertrag nichts anderes vereinbart wurde.

BetriebszugehörigkeitKündigungsfrist für den ArbeitgeberGrundkündigungsfrist für den Arbeitnehmer
0 bis 6 Monate (Probezeit)2 Wochen zu jedem beliebigen Tag2 Wochen zu jedem beliebigen Tag
7 Monate bis 2 Jahre4 Wochen zum 15. oder zum Monatsende4 Wochen zum 15. oder zum Monatsende
ab 2 Jahren1 Monat zum Monatsende
ab 5 Jahren2 Monate zum Monatsende
ab 8 Jahren3 Monate zum Monatsende
ab 10 Jahren4 Monate zum Monatsende
Ergänzendes Wissen

Auch bei einem mündlichen Arbeitsvertrag greift der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz. Voraussetzung ist, dass das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht und der Betrieb mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigt.

Vom Wort zur Tat: Wie Sie sich als Arbeitnehmer absichern

Sie haben nun das Wissen, um die rechtliche Situation einzuschätzen. Doch wie handeln Sie in der Praxis am besten? Es geht darum, proaktiv für Ihre eigene Sicherheit zu sorgen.

Der wichtigste Schritt ist, auf Ihr Recht aus dem Nachweisgesetz zu pochen. Fordern Sie die schriftliche Niederlegung der Vertragsbedingungen aktiv von Ihrem Arbeitgeber ein, falls dieser sie nicht von sich aus aushändigt. Seien Sie dabei freundlich, aber bestimmt.

Ein weiterer Tipp: Machen Sie sich direkt nach der mündlichen Zusage eigene Notizen über alle besprochenen Punkte. Senden Sie Ihrem neuen Chef eine freundliche E-Mail, in der Sie sich für das Gespräch bedanken und die wichtigsten Vereinbarungen (Gehalt, Startdatum, Position) kurz zusammenfassen. Dies ist zwar kein Vertragsdokument, schafft aber eine nützliche Gedächtnisstütze für beide Seiten.

Letztendlich bleibt der beste Rat:

Bestehen Sie immer auf einem ordentlichen, schriftlichen Arbeitsvertrag. Er ist die sicherste Grundlage für eine faire und transparente Zusammenarbeit und vermeidet von vornherein Missverständnisse und potenzielle Konflikte.

Fazit

Ein mündlicher Arbeitsvertrag ist weit mehr als heiße Luft – er ist ein rechtsgültiger Vertrag mit klaren Konsequenzen. Seine Gültigkeit ist jedoch an Bedingungen geknüpft und birgt vor allem für Arbeitnehmer erhebliche Risiken in Bezug auf die Beweisbarkeit. Das Nachweisgesetz bietet einen wichtigen Schutzmechanismus, indem es den Arbeitgeber zur schriftlichen Dokumentation zwingt. Bei kritischen Punkten wie Befristung und Kündigung setzt der Gesetzgeber der Formfreiheit jedoch klare Grenzen und verlangt die Schriftform. Auch wenn ein Handschlag-Deal rechtlich bindend sein kann, ist ein sauber aufgesetzter schriftlicher Vertrag stets die klügere und sicherere Wahl für ein sorgenfreies Arbeitsverhältnis.

Häufig gestellte Fragen

Gilt ein mündlicher Arbeitsvertrag auch für einen Minijob?

Ja, auch bei Minijobs oder geringfügigen Beschäftigungen ist ein mündlicher Arbeitsvertrag grundsätzlich gültig. Allerdings gelten auch hier das Nachweisgesetz und die Pflicht des Arbeitgebers, die wesentlichen Bedingungen schriftlich festzuhalten.

Was passiert, wenn mein Arbeitgeber mir die schriftliche Bestätigung verweigert?

Die Verweigerung der Niederschrift nach dem Nachweisgesetz ist eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld geahndet werden kann. Wichtiger für Sie ist jedoch, dass dies Ihre Position im Streitfall schwächt. Sie sollten den Arbeitgeber schriftlich (z.B. per E-Mail) unter Fristsetzung zur Aushändigung auffordern und sich bei weiterer Weigerung rechtlich beraten lassen.

Welcher Urlaubsanspruch gilt bei einem mündlichen Vertrag?

Wurde über den Urlaub nichts Konkretes vereinbart, gilt der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch. Dieser beträgt laut Bundesurlaubsgesetz 24 Werktage pro Jahr bei einer Sechs-Tage-Woche, was 20 Arbeitstagen bei einer Fünf-Tage-Woche entspricht.

Kann ich mündlich vereinbarte Überstundenregelungen nachweisen?

Der Nachweis ist sehr schwierig. Wenn keine schriftliche Regelung existiert, müssen Sie beweisen, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet oder zumindest geduldet wurden und dass eine Vergütung dafür vereinbart war. Ohne Zeugen oder schriftliche Kommunikation ist dies kaum möglich.

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