Kündigen in der Ausbildung: Der komplette Guide für Azubis

Kündigen in der Ausbildung: Der komplette Guide für Azubis

Markus

Kündigung

Hinweis: Die auf dieser Website bereitgestellten Informationen stellen keine Rechtsberatung dar. Die Informationen sind allgemeiner Natur und dienen ausschließlich zu Informationszwecken.

Stehst du an einem Punkt, an dem du ernsthaft überlegst, deine Ausbildung abzubrechen? Dieser Gedanke ist oft mit Unsicherheit, Sorge und vielen Fragen verbunden. Du bist nicht allein. Viele Auszubildende fühlen sich überfordert, unglücklich im Betrieb oder stellen fest, dass der gewählte Beruf doch nicht der richtige ist.

Dieser Artikel ist dein persönlicher Mentor auf diesem Weg. Wir nehmen dich an die Hand und beantworten die drängende Frage, wie man eine Kündigung in der Ausbildung rechtssicher und überlegt angeht und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Wir führen dich von der ersten Überlegung über die rechtlichen Hürden bis hin zu klaren, umsetzbaren Schritten für deine Zukunft.

Das Wichtigste in Kürze
  • Probezeit vs. danach: Die Regeln für eine Kündigung sind in der Probezeit radikal anders als danach. Innerhalb der Probezeit ist eine Kündigung jederzeit ohne Grund möglich.
  • Schriftform ist Pflicht: Jede Kündigung, egal von wem und zu welchem Zeitpunkt, muss immer schriftlich erfolgen, um gültig zu sein. Eine mündliche oder elektronische Kündigung ist unwirksam.
  • Deine Gründe zählen: Nach der Probezeit kannst du als Azubi nur aus zwei spezifischen Gründen ordentlich kündigen: Berufsaufgabe oder Wechsel zu einem anderen Ausbildungsberuf.
  • Hoher Schutz für Azubis: Arbeitgeber können dich nach der Probezeit nicht einfach so kündigen. Sie benötigen einen „wichtigen Grund“ für eine fristlose Kündigung, was hohe Hürden mit sich bringt.
  • Der Aufhebungsvertrag: Als Alternative zur einseitigen Kündigung gibt es den Aufhebungsvertrag, der eine einvernehmliche Trennung ermöglicht, aber auch Nachteile haben kann.

Der erste Schritt: Ein ehrlicher Blick auf deine Situation

Bevor wir in die Paragrafen und Fristen eintauchen, lass uns einen Moment innehalten. Warum willst du kündigen? Die Antwort auf diese Frage ist entscheidend, denn sie bestimmt den rechtlich korrekten Weg.

Fühlst du dich im Team unwohl? Gibt es Konflikte mit dem Ausbilder? Werden dir die Ausbildungsinhalte nicht richtig vermittelt? Oder hast du gemerkt, dass deine Talente und Interessen ganz woanders liegen?

Manchmal kann ein klärendes Gespräch mit dem Ausbilder, dem Betriebsrat oder einem Lehrer der Berufsschule schon Wunder wirken. Nicht jedes Problem muss sofort in einer Kündigung enden. Doch wenn der Entschluss feststeht, ist es umso wichtiger, die Spielregeln zu kennen.

Das deutsche Berufsbildungsgesetz (BBiG) schützt Auszubildende in besonderem Maße. Aber es zieht auch klare Grenzen. Lass uns diese Grenzen gemeinsam erkunden.

Die Probezeit: Das Fenster der Flexibilität

Jede Ausbildung beginnt mit einer Probezeit. Sie ist gesetzlich vorgeschrieben und dauert mindestens einen Monat und höchstens vier Monate. Die genaue Dauer steht in deinem Ausbildungsvertrag.

Was bedeutet das für dich?

Diese Phase ist eine Testphase – für beide Seiten. Du sollst herausfinden, ob der Beruf und der Betrieb zu dir passen. Der Betrieb prüft im Gegenzug, ob du für die Ausbildung geeignet bist. In dieser Zeit ist das Gesetz maximal flexibel.

Gemäß § 22 Absatz 1 BBiG kann das Berufsausbildungsverhältnis während der Probezeit jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist und ohne Angabe von Gründen gekündigt werden. Das ist die einfachste Form der Trennung. Ein einfaches Schreiben genügt, in dem steht: „Hiermit kündige ich mein Ausbildungsverhältnis fristgerecht zum nächstmöglichen Zeitpunkt.“ Wichtig ist nur, dass die Kündigung schriftlich erfolgt und dem Betrieb zugeht, bevor die Probezeit endet.

Ergänzendes Wissen

Auch wenn kein Grund genannt werden muss, ist es oft sinnvoll, das Gespräch zu suchen. Ein fairer und offener Abgang hinterlässt einen besseren Eindruck und kann für zukünftige Bewerbungen hilfreich sein.

Nach der Probezeit: Wenn die Regeln strenger werden

Ist die Probezeit erst einmal vorbei, genießt du als Auszubildender einen besonderen Kündigungsschutz. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Entscheidung für die Ausbildung nun gefestigt ist und will dich vor einem plötzlichen Rauswurf schützen. Eine Kündigung ist jetzt deutlich komplizierter – für beide Seiten.

Dein Weg als Azubi: Die ordentliche Kündigung mit klaren Grenzen

Du möchtest selbst kündigen? Das geht, aber nicht mehr so einfach wie in der Probezeit. Du kannst nach der Probezeit mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen kündigen. Die entscheidende Bedingung ist jedoch der Grund für deine Kündigung. Das Gesetz nennt hier nur zwei zulässige Optionen:

  1. Die Aufgabe der Berufsausbildung: Du hast für dich entschieden, dass eine Ausbildung generell nicht mehr der richtige Weg für dich ist. Vielleicht möchtest du stattdessen studieren, eine Schule besuchen oder dich anderweitig orientieren.
  2. Der Wechsel zu einer anderen Berufsausbildung: Du hast festgestellt, dass der Beruf des Mechatronikers nichts für dich ist, aber eine Ausbildung zum Fachinformatiker genau dein Ding wäre. Du kündigst also, um dich beruflich komplett neu zu orientieren.

Achtung, hier lauert eine häufige Falle! Der bloße Wunsch, den Ausbildungsbetrieb zu wechseln, aber im selben Beruf zu bleiben, ist kein gültiger Grund für eine ordentliche Kündigung. Tust du es trotzdem, könntest du schadensersatzpflichtig werden. Für diesen Fall ist der Aufhebungsvertrag der richtige Weg.

Deine Kündigung muss nicht nur schriftlich erfolgen, sondern auch den Kündigungsgrund (also einen der beiden oben genannten Punkte) explizit benennen. Ansonsten ist sie unwirksam.

Der Aufhebungsvertrag: Der diplomatische Mittelweg?

Was also tun, wenn du im selben Beruf bleiben, aber nur den Betrieb wechseln möchtest? Hier kommt der Aufhebungsvertrag ins Spiel. Er ist keine Kündigung, sondern eine zweiseitige Vereinbarung zwischen dir und deinem Ausbildungsbetrieb, das Verhältnis einvernehmlich zu beenden.

Der große Vorteil: Ihr seid völlig frei in der Gestaltung. Ihr könnt den Beendigungszeitpunkt selbst festlegen und müsst keine Fristen einhalten. Dies ist der sauberste Weg für einen Betriebswechsel. Du brauchst dafür natürlich die Zustimmung deines aktuellen Betriebs.

Aber Vorsicht: Ein Aufhebungsvertrag kann zu einer zwölfwöchigen Sperrzeit beim Arbeitslosengeld führen, da du deine Arbeitslosigkeit aktiv mit herbeigeführt hast. Hier ist eine Beratung durch die Agentur für Arbeit im Vorfeld Gold wert.

MerkmalOrdentliche Kündigung (durch Azubi)Aufhebungsvertrag
Wer handelt?Einseitig durch den AzubiBeidseitig, einvernehmlich
Frist4 WochenFrei verhandelbar
Grund erforderlich?Ja, Berufsaufgabe oder BerufswechselNein, Einvernehmlichkeit genügt
Ideal für…Komplette NeuorientierungBetriebswechsel im selben Beruf
Mögliche FolgeKeine Sperrzeit bei ArbeitslosengeldRisiko einer 12-wöchigen Sperrzeit

Die fristlose Kündigung: Der letzte Ausweg bei schweren Verstößen

Sowohl du als auch dein Arbeitgeber können das Ausbildungsverhältnis fristlos, also ohne jede Frist, kündigen. Dafür muss jedoch ein „wichtiger Grund“ vorliegen. Das bedeutet, es muss etwas so Gravierendes passiert sein, dass eine Fortsetzung der Ausbildung für eine der beiden Seiten unzumutbar ist.

Was kann ein solcher Grund sein?

Aus Sicht des Arbeitgebers sind das oft Dinge wie nachgewiesener Diebstahl, wiederholtes unentschuldigtes Fehlen in Betrieb oder Berufsschule, Arbeitsverweigerung oder massives Mobbing gegenüber Kollegen. In der Regel muss der Arbeitgeber dich vor einer solchen Kündigung mindestens einmal schriftlich abmahnen. Die Abmahnung ist quasi die „gelbe Karte“.

Auch du kannst fristlos kündigen. Wichtige Gründe wären hier zum Beispiel eine ausbleibende Ausbildungsvergütung, systematische Verstöße gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz, sexuelle Belästigung oder wenn dir nachweislich keine ausbildungsrelevanten Tätigkeiten vermittelt werden (z.B. wenn du nur putzen oder Kaffee kochen musst).

Eine fristlose Kündigung ist der schärfste Schritt und sollte immer die letzte Option sein. Die Hürden dafür liegen sehr hoch.

Ergänzendes Wissen

Bist du noch minderjährig, müssen deine gesetzlichen Vertreter (in der Regel die Eltern) jeder Kündigung oder einem Aufhebungsvertrag schriftlich zustimmen. Ihre Unterschrift ist zwingend erforderlich, damit die Erklärung wirksam wird.

Schritt für Schritt: Was nach der Kündigung zu tun ist

Die Kündigung ist geschrieben und übergeben. Und jetzt? Ein Gefühl der Leere? Keine Sorge, jetzt beginnt die Phase der Neuorganisation. Es ist wichtig, dass du sofort aktiv wirst.

Informiere umgehend die Berufsschule und deine Krankenkasse über die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses. Der wichtigste Anruf geht aber an zwei andere Stellen: die für dich zuständige Kammer (IHK oder HWK) und die Agentur für Arbeit.

Die Ausbildungsberater der Kammer sind Experten und können dir helfen, einen neuen Ausbildungsplatz zu finden, vielleicht sogar mit Anrechnung deiner bisherigen Ausbildungszeit. Die Agentur für Arbeit sichert dich finanziell ab und unterstützt dich ebenfalls bei der Suche. Melde dich dort umgehend, am besten noch bevor die Kündigung wirksam wird.

Sieh die Kündigung nicht als Scheitern, sondern als eine notwendige Kurskorrektur. Du hast wertvolle Erfahrungen gesammelt – auch die, was du nicht willst. Das ist ein unschätzbarer Vorteil für deinen weiteren Weg.

Fazit: Eine bewusste Entscheidung für deine Zukunft

Eine Kündigung in der Ausbildung ist mehr als nur ein formaler Akt; es ist eine Weichenstellung für deine berufliche Zukunft. Der Weg ist durch das Berufsbildungsgesetz klar geregelt und unterscheidet streng zwischen der flexiblen Probezeit und der geschützten Zeit danach. Während du anfangs frei entscheiden kannst, erfordert eine spätere Kündigung triftige, gesetzlich definierte Gründe oder den diplomatischen Weg des Aufhebungsvertrags. Wichtig ist, dass du die Regeln kennst, die Schriftform einhältst und vor allem ehrlich zu dir selbst bist. Mit dem richtigen Wissen und proaktivem Handeln verwandelst du eine unsichere Situation in einen selbstbestimmten Neustart.

Häufig gestellte Fragen

Kann ich einfach den Betrieb wechseln, wenn ich im selben Beruf bleiben will?

Nein, das ist kein gültiger Grund für eine ordentliche Kündigung nach der Probezeit. Der korrekte Weg hierfür ist ein Aufhebungsvertrag, dem dein jetziger Betrieb zustimmen muss.

Was passiert, wenn meine Kündigung nach der Probezeit keinen Grund nennt?

Dann ist sie rechtlich unwirksam. Der Ausbildungsvertrag läuft in diesem Fall einfach weiter, als hätte es die Kündigung nie gegeben.

Was ist der Schlichtungsausschuss?

Bei Streitigkeiten aus dem Ausbildungsverhältnis, insbesondere bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber, muss oft erst der Schlichtungsausschuss der zuständigen Kammer angerufen werden, bevor man vor das Arbeitsgericht ziehen kann. Er versucht, eine gütliche Einigung zu finden.

Was genau bedeutet die „Sperrzeit“ beim Arbeitslosengeld?

Wenn die Agentur für Arbeit feststellt, dass du deine Arbeitslosigkeit selbst verschuldet hast (z.B. durch einen Aufhebungsvertrag oder eine Kündigung ohne wichtigen Grund), kann sie die Zahlung von Arbeitslosengeld für bis zu 12 Wochen sperren.

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