Weiterbildung für Tischlerinnen
Erweiterung der betrieblichen Einsatzmöglichkeiten von Frauen im Tischlerhandwerk - ein Beitrag zur Nutzung von Potentialen für den Strukturwandel
Ein Qualifizierungs- und Betriebsberatungsprojekt des Zentrums Frau in Beruf und Technik in Kooperation mit dem Fachverband Holz und Kunststoff NRW und der Kreishandwerkerschaft Recklinghausen.
Ausgangssituation
Junge Frauen bringen in der Ausbildung zur Tischlerin gute Leistungen. Ihre besonderen Stärken liegen im gestalterischen Bereich, wie ihr überdurchschnittlich gutes Abschneiden im Wettbewerb "Die gute Form" belegt, sowie in Arbeitsgebieten, die kommunikative Fähigkeiten erfordern. Betriebe, die Erfahrungen mit der Ausbildung von Mädchen und der Beschäftigung von Gesellinnen gemacht haben, sind von der Leistungsfähigkeit von Frauen in diesem Beruf überzeugt.
Dennoch ist die Mehrzahl der Tischlerbetriebe bei der Einstellung von weiblichen Auszubildenden und noch mehr bei der Einstellung von Gesellinnen als Nachwuchsfachkräfte auch heute noch sehr zurückhaltend. Als Begründung hierfür wird von den Betrieben hauptsächlich auf das "Schwangerschaftsrisiko" verwiesen. Im Tischlerhandwerk liegt hier insofern eine besondere Problematik vor, als wegen der Aufnahme einiger Holzstäube in die Liste der Gefahrenstoffe praktisch vom Tage des Bekanntwerdens einer Schwangerschaft an ein Beschäftigungsverbot in der Werkstatt besteht. Sinnvolle alternative Beschäftigungsfelder sind in den Betrieben bislang kaum entwickelt worden.
Derzeit befindet sich das Tischlerhandwerk - wie andere Branchen auch - in einem strukturellen Wandlungsprozeß, der umfangreiche Anpassungsleistungen der Betriebe an veränderte Marktbedingungen erforderlich macht. Dazu gehört die Integration und Nutzung moderner Technologien ebenso wie eine verstärkte Ausrichtung des betrieblichen Leistungsangebotes auf die individuellen Wünsche der jeweiligen Kunden. Handwerklich saubere Arbeit allein reicht für die Behauptung eines Betriebes am Markt auf Dauer nicht mehr aus, sie ist lediglich deren Voraussetzung. Von zunehmender Bedeutung für die Existenzsicherung der Betriebe wird die Erweiterung ihres handwerklichen Selbstverständnisses um eine ausgeprägte Dienstleistungsorientierung. Nur mit einem umfassenden Beratungs- und Serviceangebot wird es den Betrieben in Zukunft möglich sein, anspruchsvolle Kunden zu gewinnen und an sich zu binden.
Für die Bewältigung dieser Herausforderungen braucht das Tischlerhandwerk gut qualifizierte Fachkräfte, u.a. mit Know-how in Gestaltungsfragen und ausgeprägten kommunikativen Fähigkeiten. Der skizzierte Wandel beinhaltet darüber hinaus die Notwendigkeit, betriebliche Abläufe teilweise neu zu organisieren, bisher vom Betriebsinhaber allein wahrgenommene Führungsaufgaben zu delegieren und - unabhängig von der "Frauenfrage" - Arbeitsplätze mit neuem Aufgabenzuschnitt einzurichten.
Projektansatz
An dem Qualifizierungsbedarf, der sich aus den oben geschilderten Trends ableiten läßt, setzt das Projektvorhaben an. Es nimmt dabei speziell die Zielgruppe der weiblichen Fachkräfte im Tischlerhandwerk in den Blick, da diese über besonders gute qualifikatorische Voraussetzungen in den zukünftig wichtiger werdenden Feldern "Gestaltung" und "Kommunikation" verfügen. Durch gezielte Fortbildungsmaßnahmen soll dieses Potential ausgebaut und für die Wahrnehmung von betrieblichen Aufgaben über den Werkstattbereich hinaus erschlossen werden. Damit wird zugleich ein Beitrag zur Beseitigung bisher bestehender Beschäftigungshindernisse für Frauen in diesem Beruf geleistet: Die Schaffung erweiterter betrieblicher Einsatzfelder im gestalterischen und planerischen Bereich sowie in der Kundenberatungsarbeit reduziert die betrieblichen Risiken der Frauenbeschäftigung im Tischlerhandwerk, in dem sie die Restriktionen überwindet, denen die Werkstattbeschäftigung von Frauen im Falle einer Schwangerschaft unterliegt.
Modellhaft soll in den projektbeteiligten Betrieben die Anwendung der neuerworbenen Qualifikationen auf Arbeitsplätzen mit einem neuen Aufgabenzuschnitt erprobt werden. Bei der Initiierung und Umsetzung der hierfür erforderlichen betrieblichen Reorganisationsprozesse werden die Betriebe durch die Projektmitarbeiterinnen sowie die Kooperationspartner beraten.
Arbeitsschwerpunkte des Projektes
QualifizierungVerteilt über die Laufzeit von zwei Jahren werden Tischlergesellinnen und -meisterinnen berufsbegleitend im Rahmen des Projektes sechs Qualifizierungsmodule mit einem Umfang von jeweils 60 Stunden angeboten. Die Fortbildungsveranstaltungen jedes Moduls fanden an fünf zweitägigen Blöcken, in der Regel an aufeinanderfolgenden Frei- und Samstagen, statt. Themenschwerpunkte der Module waren:
- Gestaltung im Tischlerhandwerk
- Planung und Entwurf
- Kundenkommunikation und Marketing
- Computer Aided Design - CAD
- Arbeitsvorbereitung
- Ablauforganisation
Alle Module sind inzwischen erfolgreich abgeschlossen.
BetriebsberatungNeben der Durchführung der Weiterbildungsveranstaltungen geht es im Rahmen der Projektarbeiten darum, mit den projektbeteiligten Betrieben gemeinsam Möglichkeiten zur Nutzung der neuerworbenen Qualifikationen zu erarbeiten. Das schließt die Beratung über den möglichen Neuzuschnitt betrieblicher Aufgaben im Sinne von Mischarbeitsplätzen ein.
Transfer der Projektergebnisse
Um die Projektarbeiten einer interessierten Fachöffentlichkeit zugänglich zu machen, wurden Projektzwischenergebnisse kontinuierlich in der Fach- und Verbandspresse veröffentlicht und darüber hinaus im Rahmen von Workshops zur Diskussion gestellt. Zum Ende der zweijährigen Laufzeit des Projektes wurde ein Abschlußbericht erstellt, der - dem Modellcharakter des Projektes entsprechend - Anregungen zur Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Anwendungskontexte geben sollte.
Hierzu werden auch die Ergebnisse der Fachtagung "Neue Chancen für Frauen im Tischlerhandwerk", die am 19.August 1998 in Haltern stattgefunden hat, einen Beitrag leisten.
Pünktlich zur Veranstaltung erschien die Broschüre "Neue Chancen in einem traditionellen Handwerk: Frauen in der Tischlerei". Darin werden im ersten Teil zwölf Tischlerinnen portraitiert, die an dem Projekt teilgenommen haben. Im zweiten Teil befindet sich die Auswertung der ausführlichen Interviews mit diesen Frauen zu den Themen
- Motive für diese Berufswahl,
- Erfahrungen in diesem nach wie vor männlich dominierten Beruf und
- mittel- bis langfristige Berufsperspektiven.
- Ansprechpartnerinnen:
Margret Tewes,Telefon: 0 23 05 / 9 21 50 -16 - Projektträger:
Fachverband Holz und Kunststoff NRW, Kreuzstraße108 - 110 ,44137 Dortmund ,Telefon: 02 31 / 91 20 10 -0 - Projektdurchführung:
Zentrum Frau in Beruf und Technik,Erinstraße 6 ,44575 Castrop-Rauxel ,Telefon: 0 23 05 / 9 21 50 -0 ,Telefax: 0 23 05 / 9 21 50 -49 - Kooperationspartner:
Kreishandwerkerschaft Recklinghausen,Dortmunder Str. 18 ,45665 Recklinghausen ,Telefon: 0 23 61 / 48 03 -0 - Projektförderung:
Das Projekt hatte eine Laufzeit von 2 Jahren (01.09.1996 bis 31.08.1998) und war mit1 ½ Wissenschaftlerinnenstellen und ½ Verwaltungsstelle ausgestattet. Es wurde aus dem EU-kofinanzierten Landesprogramm QUATRO durch das Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand,Energie und Verkehr des Landes NRW gefördert.